Panflöte und Orgel im Dialog am Ende eines Jubiläumsjahres

von Heinrich Jaskola

Wenn Freunde ein gutes Gespräch miteinander führen, so freuen sich nicht nur die Beteiligten selbst darüber. Auch den Zuhörern kann dabei das Herz aufgehen. Zunehmend werden sie in den Dialog hineingezogen, verfolgen interes-siert den freundschaftlichen Austausch der Argumente und bewundern vielleicht Charaktere, Temperamente und Ge-sprächsverhalten. Das ist in der Musik, verstanden als “Klangrede“, nicht anders. Zwei hervorragend aufeinander ein-gestellte Solisten, Matthias Schlubeck (Panflöte) und Ignace Michiels, Organist der Kathedrale von Brügge, konzer-tierten am vergangenen Sonntag in der Bergener St. Nikolaus-Kirche auf hohem Niveau. Nicht nur das scheinbar blin-de Einverständnis der beiden Interpreten war bewundernswert, sondern auch der gleichberechtigt geführte Dialog der beiden Instrumente. Sie sind ihrem Ursprung nach enger verwandt als man glauben möchte, kann man doch die Pan-flöte teilweise auch als Orgel einordnen.

Erleben konnten die in großer Zahl erschienenen Zuhörer im Konzert neben der Dialogfähigkeit zweier verwandter Instrumente auch die breite Palette spielbarer Musik für diese beiden Verwandten. Sie reichte von Antonio Vivaldis (1678 – 1741) Flötenkonzert G-Dur (op.10, Nr.4) bis zur folkloristischen Musik aus Rumänien. Geschickt dazwischen geschoben waren vier solistische Auftritte der klangprächtigen Förster & Nicolaus-Orgel, so dass reizvolle Kontraste entstehen konnten. Gleich am Konzertbeginn folgte z.B. auf das leicht und beschwingt auftretende Flötenkonzert von Vivaldi ein packendes Orgelwerk von J.S. Bach (1685 – 1750). Seine Choralfantasie über “Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ aus der Sammlung der “Achtzehn Leipziger Choräle“ (1747 – 49) spielte Ignace Michiels klangmächtig und virtuos. Ganz andere Seiten wurden dagegen mit Naji Hakims (geb. 1955) “Ouverture libanaise“ angeschlagen. Der in Bergen-Enkheim bestens bekannte, in Paris wirkende libanesisch-französische Organist und Komponist sagt selbst, sein Werk sei aus der Liebe zur Folklore entstanden. Dass die Orgel mit raffinierten, orientalisch eingefärbten Klangfarben und Rhythmen auch folkloristisch auftreten kann, mag manchen Zuhörer erstaunt haben. Aber Erstaunli-ches gab es an diesem Abend mehrfach zu hören.
Im Zusammenspiel von Panflöte und Orgel zeigten beide Solisten ihr meisterliches Können. Scheinbar mühelos ge-lingt es Matthias Schlubeck alle Höhen und Tiefen seiner Panflöte darzustellen. Aber zugleich zeigt er, wie wand-lungsfähig das Instrument eingesetzt werden kann. Da überzeugen die an Vogelgezwitscher erinnernden Spitzentöne in der Flötensonate G-Dur des von 1740 bis 1768 am Hofe Friedrichs des Großen wirkenden C.Ph.E. Bach (1714 – 1788) ebenso wie die Nachahmung der menschlichen Stimme in Mozarts bekannter Arie der Königin der Nacht aus der “Zauberflöte“. In den sich überschlagenden Koloraturen der als Rachegöttin auftretenden Königin (“Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen, …“) wurde die Panflöte zur wahren Zauberflöte. Nicht umsonst spielten die beiden Künstler am Ende des Konzerts als letzte Zugabe diese großartige Arie noch einmal.

Wunderschön singend und durchgehend adäquat begleitet, ließ sich die Flöte in den romantisch gefärbten Stücken von A. Guilmant (1837 – 1911), Th. Dubois (1837 – 1924) und S. Rachmaninoff (1873 – 1943) vernehmen. Eindringlich der Dialog zwischen den Zungenstimmen der Orgel und der ihr antwortenden Panflöte bei Guilmant; meditativ, wie ins Gebet versunken, das Zusammenspiel in der “Cantilène religieuse“ von Dubois; große Melodiebögen wie im Ge-sang hervorhebend in Rachmaninoffs “Vocalise“. Ganz anders traten dann wieder die drei Tänze aus Rumänien am Schluss des Programms auf: Als sei die Orgel zur virtuos aufspielenden Harmonika geworden, an ihrer Seite ein sich übermütig gebender, beschwingt-fröhlicher Flötenspieler. Konnte man da nicht sogar eine tanzende, bunt gekleidete Folkloregruppe erkennen?

Der lang anhaltende Beifall im Stehen am Ende des Konzerts brachte den Besuchern zwei Zugaben und zeigte die “Publikumslieblinge“ noch einmal in Bestform. Das mittlerweile dritte Konzert mit Panflöte und Orgel erwies sich als würdiger Abschluss eines Jahres, in dem das 25-jährige Bestehen des Förderkreises Orgel und Orgelmusik an St. Ni-kolaus auf vielfältige Weise gefeiert wurde. In der lockeren Atmosphäre des Empfangs nach dem Konzert in der Niko-lauskapelle konnte Bernd Walz noch einmal einige Ehrengäste begrüßen (unter ihnen der amtierende Stadtschreiber Thomas Rosenlöcher) und sich sowohl bei der anwesenden Schirmherrin, der Honorarkonsulin von Belgien, Frau Ute Raab, bedanken, als auch den Mitveranstaltern, dem Belgisch-Deutschen Club e.V. und der Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim, für ihr Engagement Dank sagen.


Gassenhauer und Ohrwürmer

Peter Planyavsky beim 81. Konzert in der St. Nikolaus Kirche
von W.O. Keller

Wer glaubte, Orgelkonzerte wären nur etwas für treue Kirchgänger, die dort Erbauung und seelische Stärkung suchen, der wurde am Sonntag, den 29. August in der St. Nikolaus Kirche in Bergen-Enkheim kräftig aufgerüttelt, oft verwirrt oder sogar verschreckt, jedenfalls gleich eines besseren belehrt. Wer aber wusste, dass dem eigenwilligen Wiener Star-Organisten Peter Planyavsky der Ruf vorauseilt, nicht nur zu parodieren, sondern gelegentlich auch zu provozieren, war auf allerhand Überraschungen gefasst.

Da hat schon vor über 400 Jahren in Rom an der Peterskirche ein Avantgardist alte Traditionen über Bord geworfen und anstatt frommer Choräle durchaus auch mal sogenannte „Gassenhauer“ an der Orgel interpretiert, zu denen man sonst auf Jahrmärkten ausgelassen tanzte. Girolamo Frescobaldi heißt der Meister des italienischen Frühbarock, dessen kurzes „Capriccio sopra l´Aria die Roggiero“ Peter Planyavsky beschwingt und mit tänzerischer Leichtigkeit intonierte. Und wie setzte sich 400 Jahre später der 1956 in Graz geborene „zeitgenössische“ Komponist und Orgelvirtuose Wolfgang Sauseng mit diesem heute kaum als Ohrwurm erkennbaren Stück auseinander? Als Parodie, oder als schwer verdauliches „Remake“? Das bleibt dem Hörer überlassen, der durch etliche Höhen und Tiefen moderner Klangkunst geschleust wird, inklusive Schnarren und Krächzen, und am Ende, wenn er will, sogar heraus hören kann, dass der junge Sauseng sein „Ballo“. im Gegensatz zum alten Frescobaldi . in einem „happy-end“ ausklingen lässt. Da war Planyavsky in seinem Element, wie er mit Vergnügen und Leidenschaft die prächtigen Möglichkeiten der Orgel aufmischte.

Das war aber nicht die einzige Herausforderung. Schon die zum Auftakt gespielte . 1936 für Klavier komponierte – „Sonate II“ des berühmten Sohnes der Stadt Hanau, Paul Hindemith, entsprach nicht unbedingt den gewohnten Orgelklängen, überzeugte aber durch sehr einfühlsame und kontrastreiche Lautmalerei, wie sich die Zerrissenheit dieser Epoche in düsteren, melancholischen Stimmungen spiegelte und aufkeimende Hoffnungsschimmer gnadenlos verdrängte. Fast fließend folgte der Übergang zum Choral Nr. 2 h-Moll von César Franck, dessen eigentlich optimistische Ausprägung sich nach der zuvor erlebten Tristesse kaum entfalten konnte. Auch Felix Mendelssohn-Bartholdy, der mit seinem herzerfrischenden Klangreichtum sonst alle “bösen Geister“ vertreibt, hatte jetzt Schwierigkeiten, die doch leicht verstörten Zuhörer aus ihrer verwirrend düsteren Lethargie heraus zu führen. Der zunächst zaghafte Applaus war Zeichen dafür, dass das aufmunternd und impulsiv von Planyavsky interpretierte Allegro mit Choral und Fuge nun doch die positiven Lebensgeister wieder geweckt hatte.

So richtig aufgetaut ist das Publikum aber erst bei der strahlenden Choralfantasie “Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ des leider viel zu selten gespielten Hamburger Barockkomponisten Vinvent Lübeck (1654 . 1740), die der vielseitig begabte Peter Planyavsky so überzeugend registrierte und hingebungsvoll präsentierte, als ob er sein ganzes Leben und Wirken nur dieser tief religiösen Kirchenmusik gewidmet hätte. Und dieser Eindruck verstärkte sich noch einmal in seiner suggestiven Improvisation über den Choral “Wer nur den lieben Gott lässt walten“, in der er das Thema immer wieder in lauter leuchtend-bunten, musikalischen Perlen aufscheinen ließ, die wie ein vertrauter Ohrwurm wohlige Gefühle erzeugten. Entsprechend stürmisch war dann auch der Beifall, den Planyavsky richtig deutete, indem er eine Zugabe wählte (Karl Czerny, Adagio), die genau diese Bedürfnis nach Klangreinheit und Harmonie erfüllte. Der prasselnde Regen verhinderte den Empfang im Grünen, aber im “Kleinen Zentrum“, erweitert durch zwei Zelte, erfreuten sich die sehr zahlreichen Gäste und Mitglieder an süffigem “Grünen Veltliner“, den die österreichische Gesellschaft spendiert hatte.

Peter Planyavsky am Spieltisch der großen Förster&Nicolaus Orgel

Ein Organist mit Ecken und Kanten

Peter Planyavsky beim 81. Konzert in der St. Nikolaus Kirche
von W.O. Keller

Stromlinienförmig ist er ganz gewiss nicht, der vielseitige musikalische Senkrechtstarter aus Wien, Peter Planyavsky, aber streitbar und witzig und voller verrückter Ideen. So erklärt er sein umfangreiches Repertoire eigener Kompositionen damit, dass Bach, Mozart und die anderen berühmten Tonsetzer in ihren Werken erhebliche Lücken hinterlassen hätten, die er nun in aller Bescheidenheit ausfüllen würde.

Da gibt es sicher allerhand Überraschungen, wenn dieses Multitalent am Sonntag, den 29. August um 18 Uhr in der St. Nikolaus- Kirche in Bergen-Enkheim, Nordring 71, die Große Förster & Nicolaus-Orgel aus der Reserve lockt. Als waschechter Wiener hat Peter Planyavsky mit seiner Kunst längst die ‚große weite Welt‘ erobert, ohne je seine Wurzeln zu verleugnen. 1947 in Wien geboren, als Hochbegabter von den besten Lehrern gefördert, und mit 22 schon auf dem begehrten Posten des St. Stephans-Dom-Organisten, dann auf direktem Weg zum Hochschulprofessor. Doch sein streitbarer Geist bescherte ihm auch etliche Karriere-knicks, die er immer gleich für neue Perspektiven nutzte. Dazu gehört auch eine Lehrzeit als Orgelbauer. Daneben pflegt er noch ein paar skurrile Hobbys, die er lustvoll im Internet ausbreitet, mit der bissigen Begründung, nur in diesem Medium könne man sich an einer Massenbewegung beteiligen, in der sich alle zu Wort melden, die eigentlich nichts zu sagen haben.

Ohne Frage ist Peter Planyavsky . im besten Sinne . eine schillernde Persönlichkeit, die sich hier in einem bunten, spannenden Programm entfalten wird. Schon der Auftakt entspricht nicht der sonst üblichen Einstimmung auf einen besinnlichen Orgelabend, denn die aufwühlende ‚Sonate II‘ des gebürtigen Hanauers Paul Hindemith entstand 1936, als der Komponist bereits mit einem Aufführungsverbot belegt war und um seine Existenz fürchten musste. Daneben erscheint der Impulsgeber der Französischen Orgelmusik, César Franck, mit seinem ‚Choral Nr.2 in h-Moll‘ wie aus einer fernen Zeit, obwohl gerade mal rund 80 Jahre Musik-geschichte dazwischen liegen. Der deutsche Zeitgenosse Francks, Felix Mendelssohn-Bartholdy ist bekannt durch den unerschöpf-lichem Reichtum tiefschürfender, ergreifender Musik, die in seinem ‚Allegro, Choral und Fuge‘ wunderbar zum Ausdruck kommt.

Als Meister des italienischen Frühbarock gilt der einstige Organist der Peterskirche in Rom, Girolamo Frescobaldi, dessen unvergängliche Musik in über 400 Jahren nichts von ihrem Glanz verloren hat. Sein ‚Capriccio sopra l´Aria di Roggiero‘ wird das beweisen. Und dann folgt ein messerscharfer Schnitt zwischen traditioneller und moderner Orgelmusik durch den hierzulande noch weniger bekannten, 1956 in Graz geborenen Wolfgang Sauseng, der inzwischen . nicht nur in Österreich . auf keinem Festival für Zeitgenössische Musik fehlen darf. Der hoch dekorierte Professor kann es sich leisten, in seinem Werk mit dem verwirrenden Titel ‚Ballo‘ voll auf Überraschungseffekte zu setzen, die Peter Planyavsky mit Lust und Virtuosität abfeuern wird.

Für einige Zuhörer, die vielleicht von den zeitgenössischen Klängen überfordert werden, bietet Vincent Lübeck (1654 – 1740) dann eine wirkliche Labsal für die Seele. Der Hamburger Bürger gilt als einer der Großen der Barockära im norddeutschen Raum, wo er bis ins hohe Alter als Organist und Komponist gewirkt hat. In der Choralfantasie ‚Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ‘ öffnet sich ein meditativer, spiritueller Raum, in dem sich Gedanken und Gefühle sammeln..

Was das fachkundige Publikum bei den ‚Improvisationen‘ von Peter Planyavsky erwartet, lässt sich nicht vorhersagen. Man muss allerdings wissen, dass der Künstler auch hier seinem ‚Schalk im Nacken‘ wohl nicht widerstehen kann, immerhin gilt er als brillanter Meister der Parodie, der sich in heiteren Eskapaden vor keinem noch so berühmten Komponisten-Kollegen fürchtet.

Künstler und Programm versprechen einen seltenen musikalischen Hochgenuss, bei dem die große Förster & Nicolaus-Orgel das ganze Spektrum ihrer Möglichkeiten in Klängen und Farben ausbreiten darf – vom Interpreten Peter Planyavsky zum pulsierenden Leben erweckt.


Französische Impressionen mit Uraufführung

Presse vor dem 80. Konzert

  1. Großes Orgelkonzert in der St. Nikolaus-Kirche
    von Karl Hermann

Wer die Orgelszene in der St. Nikolaus-Kirche regelmäßig verfolgt, weiß, dass das 80. Konzert in bester Tradition der ‚Zehnerkonzerte‘ vom Titularorganisten dieser Kirche, Prof. em. Günther Kaunzinger, Würzburg, bestritten werden wird. Es bereits das 14. Konzert, was er hier spielen wird. Sein Programm ist ganz auf den Schwerpunkt seiner jahrzehntelangen Bemühungen als geschätzter Hochschullehrer abgestellt: die französische Orgelwelt in Deutschland bekannt zu machen. Dafür erhielt er höchste Auszeichnungen, unter anderem das Bundesverdienstkreuz und 1994 erfährt er weltweite Anerkennung, indem er zum ‚Interpreten des Jahres‘ gewählt wurde. Seine künstlerische Ausbildung fand bei den renommiertesten französischen Orgellehrern, wie Marie-Claire Alain, Maurice Duruflé und Jean Guillou statt. Dass sich Günther Kaunzinger auch musikwissenschaflich profiliert hat, ist nicht so bekannt, immerhin übertrug ihm der weltweit bekannte Schott-Verlag die erste Urtext-Edition des gesamten Orgel.uvres von César Franck.

So erstaunt es nicht mehr, dass er in seinem 80. Konzert eine Uraufführung eines Werkes von César Franck (1822-1890) spielen wird, was er durch seinen eminenten Kenntnisse des Franck.schen Werkes rekonstruiert hat. Es freut die Bergen-Enkheimer Orgelfreunde ganz besonders, dass Kaunzinger diese Rekonstruktion einer spätromantischen Symphonie in der St. Nikolaus-Kirche das erste Mal öffentlich spielen wird. Im Gespräch hatte er ausgeführt, dass er die Uraufführung zum 25-jährigen Jubiläum des Förderkreises zurückgehalten und als Geschenk vorgesehen habe. Wieder einmal erleben so die Besucher des Konzertes am Sonntag, 2. Mai um 18.00 Uhr eine Uraufführung in der St. Nikolaus-Kirche, deren Zahl damit auf fünf gestiegen ist.

Kaunzinger beginnt sein Konzert mit eben dieser Komposition von Franck, die den Namen ‚Phantaisie symphonique‘ trägt. Daran schließt sich eine Bearbeitung für Orgel (Edwin Lemare) an, die als Orchesterwerk mit dem Titel ‚Danse macabre‘ von Camille Saint-Saëns (1835-1921) zu seiner Zeit bereits sehr geschätzt wurde. Saint-Saëns ist eher durch seine Komposition ‚Kaneval der Tiere‘ bekannt. Nach der Legende erscheint um Mitternacht einmal im Jahr der Tod. Er ruft die Skelette aus den Gräbern um nach seinem Geigenspiel bis zum Morgengrauen zu tanzen, wenn der Hahn kräht. Danach müssen die Toten wieder zurück in die Gräber.

Die ‚Première Symphonie pour Orgue, op. 14‘ des genialen Organisten von Notre Dame in Paris, Louis Vierne (1870-1937) bildet einen sinnvollen Abschluß des Programms, wird doch hier die französische Orgelsymphonie in einer Weise erklingen, die die Entwicklung dieser Gattung vom Begründer Franck bis zu ihrem Höhepunkt darstellen kann. Vierne betrieb private Kontrapunktstudien bei Franck, er erinnerte sich noch Jahre später an die magische Anziehungskraft, die Franck auf ihn ausgeübt hatte. So schließt sich der Kreis im logischen Aufbau des Programms.

Ein Konzert von Prof. Kaunzinger ohne abschließende Improvisation über Themen aus dem Publikum ist undenkbar. Diese Vorschläge werden vor Beginn eingesammelt und er wählt daraus zwischen zwei und vier Themen aus. Das allein wäre schon ein gewichtiger Grund dieses aussergewöhnliche Orgelkonzert zu besuchen.


Französische Impressionen mit Uraufführung

Presse nach dem 80. Konzert

  1. Großes Orgelkonzert in der St. Nikolaus-Kirche
    von Karl Hermann

Drei Tage vorher begann Prof. Günther Kaunzinger an der Großen Orgel der St. Nikolaus-Kirche mit dem einregistrieren. Minuziös und mit vielen Korrekturen durch das Abhören wählte er die Register für die Stücke aus, die auf seinem anspruchsvollen Programm standen. Das ist selbst für einen konzerterfahrenen Interpreten wie Kaunzinger ungewöhnlich und ließ die Erwartungen der Veranstalter schon im Voraus höher steigen. Und sie wurden nicht nur erfüllt sondern in unerwartetem Ausmaß voll übertroffen. Langjährige Konzertbesucher sprachen denn auch von einem sensationellen Klangerlebnis. Selten hat man die St. Nikolaus-Orgel so ‚französisch‘ gehört wie in diesem 80. Konzert.

Nach einer Einführung in das Programm begann Kaunzinger mit einer von ihm rekonstruierten Orgelsymphonie des Spätromantikers César Franck, das in dieser Form schlüssig erstmalig dargeboten wurde, die blaue Blume der Romantik blühte aufs Schönste. Langanhaltender Beifall belohnte die gelungene Rekonstruktion. Im folgenden Werk, dem ‚Danse macabre‘ von Saint-Saëns in einer Orgelfassung von Edwin Lemare, konnte Kaunzinger außer einer fulminaten Virtuosität seine Fähigkeiten in der Registerwahl großartig beweisen. Die Glockenschläge zur Mitternacht, die Variationsfolgen und der Hahenschrei mit dem Zurückfallen der Skelette in die Gräber erlebten eine einmalig schöne und plastische Wiedergabe mit sichlichem Vergnügen für das zahlreiche Publikum.

Die 1. Symphonie von Louis Vierne, dem blinden Organisten von Notre Dame, ist noch deutlich dem Einfluß seines Lehrers Charles Marie Widor verhaftet. Im Unterschied zu den später komponierten Symphonien enthält die 1. sechs Sätze, die in der Folge schnell – langsam aneinandergereiht sind. Kaunzinger spielte konzentriert und deutlich artikulierend, wobei der letzte Satz ‚Final‘, der zu den schönsten Werken der französischen Spätromantik gehört, mitreißend und spritzig. Mit gesteigertem Tempo sprudelten die Tonmassen auf die Zuhörer nieder ohne zu erdrücken. Das war ein starker Schluß des Programmteils mit Kompositionen, der die Emotionen hochtrieb. Auch hier viel Beifall des Publikums.

Von den in Fülle überreichten Improvisationsthemen wurden drei von Kaunzinger ausgewählt und vorgestellt:

  1. die marianische Antiphon ‚Salve Regina‘,
  2. das Volkslied ‚Die Blümelein sie schlafen und als
  3. Thema und in Erinnerung an Kaunzingers Einweihungskonzert vor 26 Jahren ‚Der Mai ist gekommen‘.

Er betonte, dass er nur das musikalische Material verarbeiten und keine Textausdeutung vornehmen würde.

Und dann rauschten die Themen in allen möglichen Formen bearbeitet auf die Zuhörer in schönster Klangpracht nieder. Auch lyrische Momente mit dem Register ‚Voix celeste‘ und den Solozungenregister wurden von Kaunzinger ausgiebig demonstriert. Man merkte ganz deutlich: der eremetierte Orgelprofessor war in bester Spiellaune und drückte dem 80. Konzert im Jubiläumsjahr des Förderkreises seinen unverwechselbaren Stempel auf.

Als Zugabe des über 1 ½ Stunden dauernden Konzertes spielte er dann noch zur großen Freude der Besucher das ‚Carillon de Westminster‘ von Louis Vierne mit dem sattsam bekannten Glockenmotiv von Big Ben in London. Ein großer Orgelabend in St. Nikolaus fand einen berauschenden und begeisternden Abschluß.


Paukenschläge zum 25. Jahrestag

Großes Festkonzert in der St. Nikolaus-Kirche
von W. O. Keller

Es gibt noch 15 treue Orgelfreunde, die sich genau erinnern, wie alles angefangen hat vor 25 Jahren. Damals, im März 1985, nach einer sehr stimmungsvollen Abendmusik an der nagelneuen, prächtigen Großen Förster & Nicolaus-Orgel wurde die Idee geboren, für diese “Königin der Instrumente“ ein Forum zu schaffen, in dem Orgelkunst auf höchstem Niveau geboten werden sollte. Unter der etwas sperrigen Bezeichnung “Förderkreis Orgel und Orgelmusik“ verpflichteten sich Mäzene, Sponsoren und andere Freunde der Kirchenmusik, mit ihren Spenden und Beiträgen anspruchsvolle Konzerte zu organisieren. Der Kreis ist in 25 Jahren auf weit über 300 Mitglieder gewachsen und verzeichnet in seinem Gästebuch fast alle weltweit renommierten Orgelkünstler.

Für die “Gründergeneration“ ist das 25-jährige Jubiläum die Krönung ihrer Aufbauarbeit: Sie stehen noch voll in der Verantwortung und dürfen mit Fug und Recht auf ihre Erfolge stolz sein. Was liegt da näher, als dieses Ereignis mit einem fulminanten Konzert zu feiern und damit auch Qualitätsmaßstäbe für die nächste Generation zu setzen.

Ein erwartungsvolles Publikum füllte die St. Nikolaus Kirche in Bergen-Enkheim am letzten Sonntag, den 14. März, wo sich zum Jubiläumskonzert in großer Streicherformation das Offenbacher Kammerorchester im Altarraum aufstellte, während sich auf der Orgelbank der herausragende Orgelvirtuose Hayko Siemens auf ein Wiedersehen mit seiner treuen Fangemeinde in St. Nikolaus freute. Am Dirigentenpult stand Professor Hubert Buchberger, der mit ausladenden Gesten Orchester und Orgel in einem vielschichtigen Klangkörper verschmelzen ließ. Dass Francis Poulenc mit seinem einzigen Konzert für die Konstellation “Orgel, Streicher und Pauken in g-Moll“ die Musiker vor gewaltige Herausforderungen stellt, wurde durch eine überschäumende Spielfreude verdrängt, in der sich auch der dumpfe Rhythmus der Pauken reizvoll in Szene setzte.

Dieser Auftakt ließ alle Facetten für die musikalische Darstellung dramatischer Ereignisse aufleuchten. Da erschienen in abrupten Kontrasten friedliche Traumwelten – perfekt intoniert durch den homogenen Klangkörper der Streicher – konfrontiert mit der brutalen Wirklichkeit brausender Orgelakkorde, in die sich Orchester und Pauken leidenschaftlich einmischten, um alsbald in zarten Registern und getragenem Orchesterklang wieder ein Stück “heile Welt“ zu finden. Das Publikum war hingerissen von dieser unglaublichen Dynamik und dem virtuosen Zusammenspiel.

Sicher lässt sich trefflich darüber streiten, ob die St. Nikolaus Kirche ideale akustische Voraussetzungen für ein großes Sinfonieorchester bietet. Für die Sinfonie op. 52 von Robert Schumann wurde das Offenbacher Kammerorchester um eine starke Bläsergruppe erweitert, sodass ein massiver Klangkörper entstand, der viele feine Nuancen und reizvoll hervorgehobene solistische Kostbarkeiten unterdrückte, die im Konzertsaal wahrscheinlich wirkungsvoller zur Geltung gekommen wären. Dennoch gelang es den Offenbachern, die entspannte Heiterkeit, in Verbindung mit tänzerischer Leichtigkeit, für die Schumann gerühmt wird, den sichtlich beeindruckten Zuhörern nahe zu bringen.

Für die “1. Symphonie in d-Moll“ von Alexandre Guilmant wurde das Orchester noch einmal um 5 Blechbläser samt Trommel zur maximalen Besetzung erweitert. Zusammen mit dem dominanten Einsatz der Orgel ergab sich ein überwältigendes Klangerlebnis, das jedenfalls die Grenzen aller bisherigen Konzerte in St. Nikolaus sprengte und eigentlich auch keine Ambitionen für weitere Steigerungen erlauben sollte. Mit dieser Aufführung schließt sich der Kreis einer engen Beziehung der Bergen-Enkheimer zur Musik Guilmants und dessen bedeutendster Komposition. Jetzt erklang die Originalfassung als monumentales Werk, das in seiner reinen Orgeltranskription unter der Bezeichnung “1. Sonate in d-Moll“ bereits vor 24 Jahren auf dieser Orgel vom legendären Orgelkünstler Albert de Klerk eingespielt wurde und damals den “Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ gewann.

Dass sich in diese fast beängstigende Klangfülle, voller eruptiver Spannung, auch sanfte, andächtig spirituelle Elemente einfügen, löste beim Zuhörer starke Emotionen aus, die sich auch im explosiven Finale nur schwer auflösen ließen. Dieses Kunststück ist den Interpreten dann aber doch gelungen: Als Dankeschön für den endlos anhaltenden Applaus wurde einfach das “Finale“ wiederholt, das in der völlig entspannten Atmosphäre seinen strengen Duktus plötzlich verloren hatte.


25 Jahre – und kein bisschen leise

Starker Auftritt beim 79. Konzert in der St. Nikolaus-Kirche

Man soll die Feste feiern wie sie fallen, sagt ein Sprichwort. Der Förderkreis Orgel und Orgelmusik an St. Nikolaus blickt auf 25 Jahre voller hochkarätiger musikalischer Veranstaltungen zurück, in denen er sich das Prädikat “Internationale Orgelkonzerte mit Atmosphäre“ verdient hat. Ein kleiner Kreis engagierter Orgelfreunde hatte im März 1985 einen Förderkreis gegründet, der berühmte Organisten aus aller Welt einladen wollte, ihre Kunst an der gerade geweihten, prächtigen Orgel an St. Nikolaus in Bergen-Enkheim zu demonstrieren.

Daraus wurde nicht nur eine Tradition, sondern eine richtige Institution mit jährlich bis zu 4 großen Konzerten und kontinuierlich wachsenden Mitgliederzahlen, die sich um den rührigen Organisten der Gemeinde, Bernd Walz, scharen, der in diesem Jahr auch selbst auf 50 Jahre Orgeldienst zurückblicken darf. Inzwischen gehören deutlich über 300 Orgelfreunde zum Förderkreis, die mit ihren Beiträgen und Spenden die Voraussetzungen für anspruchsvolle Konzerte auf gleichbleibend hohem künstlerischem Niveau schaffen.

Das Konzert zur Feier des 25-jährigen Jubiläums wird ganz sicher mit einigen Superlativen aufwarten, wenn am Sonntag, den 14. März 2010 – Beginn schon um 16 Uhr! – in der St. Nikolaus Kirche in Bergen-Enkheim, Nordring 71, der charismatische Künstler Hayko Siemens an der großen Förster- und Nikolaus-Orgel Platz nimmt, und sich mit dem Offenbacher Kammerorchester – verstärkt durch eine Bläsergruppe – unter seinem vielfach ausgezeichneten Dirigenten, Professor Hubert Buchberger, zum gemeinsamen Musizieren vereinigt.

Hayko Siemens ist ein willkommener Gast in Bergen-Enkheim, wo er mit seiner herzerfrischenden Orgelkunst schon manche Sternstunde zelebriert hat. Noch in bester Erinnerung sind die beiden Rheinberger-Konzerte für Orgel und Orchester F-Dur und g-moll im kongenialen Zusammenspiel mit dem Offenbacher Kammerorchester im Mai 2001. Längst ist Hayko Siemens in München etabliert als Dirigent des international renommierten Münchener Motetten-Chors und als Kirchenmusiker an der Bischofskirche St. Matthäus, dazu ist er ständig präsent im Münchner Konzertleben, ob in Philharmonie, Herkulessaal, oder Prinzregenttheater. Doch auch im Rhein-Main-Gebiet bleibt er unvergessen als Gründer und künstlerischer Leiter des herausragenden Orgelfestivals “Fugato“ das seit 1995 in allen Bad Homburger Kirchen die Weltelite der Organisten versammelt.

Das Offenbacher Kammerorchester ist untrennbar mit dem Namen Hubert Buchberger verbunden, der schon 1967 als damals 16-jähriger Geiger in dem ambitionierten Frankfurter Kantorei-Orchester mitwirkte und 1974 – beim Umzug nach Offenbach und noch als Musikstudent – dessen Leitung übernahm, die er als Hochschulprofessor bis heute weiterführt. An der Stammbesetzung hat sich nichts geändert, nach wie vor ist es ein “semi-professionelles“ Streichorchester, geprägt von Musiklehrern, Musikstudenten und Berufsmusikern, jederzeit für sinfonische Werke zu verstärken aus dem Reservoir der Frankfurter Hochschulen.

Das Programm des Jubiläumskonzertes wird kräftige Akzente setzen. Kaum ein Musikkenner wird den in Paris geborenen Francis Poulenc (1899 – 1963) mit der Orgel in Verbindung bringen. Der unglaublich fleißige Pianist und Komponist hat sich mit einem Riesen-Repertoire von Ballett- und Filmmusiken, Kammermusik, Sonaten, Liedern, Klavierwerken, und sogar geistlichen Themen, einen Namen gemacht, aber nur ein einziges Mal eine Orgel erklingen lassen, nämlich in dem 1938 entstandenen “Konzert in g-Moll“ für Orgel, Streichorchester und Pauken. Deshalb darf man auf ein seltenes musikalisches Ereignis gespannt sein, wie sich die Interpreten dieser Herausforderung stellen.

Robert Schumann hat es gewagt, aus dem Schatten Beethovens zu treten, der mit seinen grandiosen Sinfonien die Musikwelt des 19. Jahrhunderts dominierte. Deshalb hatte es Schumanns erste Fassung der “Symphonie op. 52“ bei der Uraufführung in Leipzig 1841 zunächst schwer. Aber Schumann ließ sich nicht entmutigen, er gab der Ouvertüre mit zarten, sirenenartigen Klängen mehr Leichtigkeit, steckte in das Scherzo mehr tänzerischen Elan und Heiterkeit und setzte seiner fröhlichen Stimmung beim Finale keine Grenzen. Dem Offenbacher Kammerorchester wird es ein Vergnügen sein, den besonderen Reiz dieser Sinfonie zu vermitteln.

Das letzte Werk hat für die Bergen-Enkheimer eine lange Geschichte: Bereits im Jahr 1986 entstand mit dem berühmten Organisten Albert de Klerk in der St. Nikolaus Kirche in Bergen eine Aufzeichnung der “1. Symphonie d-Moll“ von Alexandre Guilmant als reine Orgelfassung, die alsbald den “Preis der deutschen Schallplattenkritik“ gewann. Fast 25 Jahre später soll nun in der St. Nikolaus-Kirche die Original-Fassung des Werkes für Orgel und Orchester erklingen, aus vollem Herzen, mit kräftigen Registern und strahlenden Bläsern – als festlicher Höhepunkt zum Jubiläum “25 Jahre Förderkreis Orgel und Orgelmusik“.

Frankfurt, 25. Februar 2010 W. O. Keller